Wie in den letzten beiden Jahren entsandte die HanseMUN e.V. auch dieses Jahr wieder eine Delegation zu Harvard World Model United Nations (WorldMUN). Diese fand dieses Jahr vom 12.03.18-16.03.18 in Panama Stadt, Panama, statt.
Die Konferenz selbst wurde an einem historischen Ort abgehalten – dem Atlapa Convention Center. Hier fand im Jahr 2015 der Gipfel Organisation amerikanischer Staaten statt, bei dem sich der kubanische Präsident Raul Castro sowie sein damaliger amerikanischer Gegenpart Barack Obama gemeinsam trafen. Dieses Treffen war das erste zwischen den Staatsoberhäuptern beider Länder seit nahezu 60 Jahren und der vorläufige Gipfel einer Normalisierung der Beziehungen beider Länder.
Wir konnten also Diplomatie an einem Ort simulieren, der vor nicht allzu langer Zeit Ort eines historischen Treffens war. Die Delegation, die die HanseMUN in diesem Jahr entsandte, war mit sechs Delegierten zwar etwas kleiner als in den letzten Jahren, dies erlaubte uns aber, die Teilnehmer mit mehr Sorgfalt auszuwählen und dafür zu sorgen, dass wir die erfahrensten und motiviertesten Delegierten entsandten, die die HanseMUN zu bieten hat.
Auch die WorldMUN selber ließ nicht zu wünschen übrig. Die Eröffnungsrede wurde von Juan Carlos Varela gehalten – dem Präsidenten von Panama. Die HanseMUN hat dieses Jahr die Türkei repräsentiert. Ein Land, das aufgrund seiner wachsenden Wirtschaft, Bevölkerung und geopolitischen Lage eine immer wichtigere Rolle in der UN einnimmt, aber trotzdem genug Stoff für kontroverse Diskussionen bietet.
Suez Crisis, 1956
Die Suez-Krise war auf zweierlei Arten besonders. A) Es handelte sich um ein Crisis Cabinet. Das bedeutet, dass zusätzlich zu der formalen Debatte Updates präsentiert wurden, auf die die Delegierten reagieren mussten. Und B) handelte es sich um ein historisches Kabinett.
Der Anfangszeitpunkt des Kabinetts war die Verstaatlichung des Suezkanals durch Präsident Nasser und von Beginn an war es offensichtlich, dass verschiedenste Interessen aufeinanderprallten. Während eine Fraktion sich für Diplomatie, Ausgleich und Verständigung einsetzte, pushte die andere Fraktion für ein aggressives und militärisches Vorgehen, insbesondere gegen Israel. Unser Delegierter in diesem Komitee, Leonard Heberer, gehörte als Verteidigungsminister zu letzteren.
Das hohe Level an Erfahrung sorgte für qualitativ hochwertige Debatten und eine ganze Menge Spaß. Zum Schluss gelang es dem Kabinett, die Krise auf friedliche Art und Weise zu lösen und eine militärische Auseinandersetzung mit Israel, dem Vereinigten Königreich und Israel zu vermeiden.
Leaders of la Mesa de la Unidad Democratica, Venezuela 2017
Die Aktualität des Themas sowie die geografische Nähe Venezuelas zu Panama machte dieses „Crisis- Committee“ zum außergewöhnlichsten Komitee der WorldMUN 2018. In diesem Komitee nahmen die Delegierten die Rollen führender venezolanischer Oppositionspolitiker ein und simulierten die Ereignisse in Venezuela nach der Entmachtung der venezolanischen Nationalversammlung durch das Verfassungsgericht im März 2017. Die Delegierten konnten in diesem dynamischen Szenario auf die folgenden Ereignisse durch ihre Entscheidungen Einfluss nehmen. Das Ziel der Delegierten war, dabei das Leid der Bevölkerung unter dem autoritären Regime von Präsident Maduro zu lindern und gleichzeitig demokratische Strukturen wiederherzustellen. Dabei wurde klar, wie ohnmächtig die Opposition gegen den autoritären Staatsapparat des Präsidenten ist.
Das Szenario wurde von einem Team aus Harvard-Studenten sowie von Studenten, die aus Venezuela geflüchtet sind, vorbereitet und durchgeführt und wurde somit zu einer sehr realistischen Simulation der aktuellen Situation in Venezuela. Unser Delegierter, Erik Buhmann, übernahm die Rolle des ehemaligen oppositionellen Präsidentschaftskandidaten, Henrique Capriles, und wurde während der Abschlusszeremonie der WorldMUN für seine überzeugende Leistung im Komitee gelobt.
DISEC
Bei jeder Konferenz wird DISEC als Komitee für sehr erfahrene Delegierte angesehen – dieses Jahr war es nicht anders. Die Größe des Komitees (fast 200 Personen) und das Kompetenzniveau der Vertreter eines jeden Landes wirkten nicht nur auf die Teilnehmer und Teilnehmerinnen selbst, sondern auch auf die Vorsitzende besonders überzeugend. Jene merkte am Ende der Konferenz an, dass ihre Erwartungen weit überschritten wurden.
Der Schwerpunkt dieser Konferenz lag auf Biowaffen, genauer gesagt auf der Kontrolle und der Regulierung ihres Bestands und ihrer Ausbreitung. Da dieses Problem heutzutage für die Türkei aufgrund ihrer Nachbarschaft mit dem Iran, dem Irak und Syrien besonders relevant ist, konnten unsere zwei Delegierten Elizaveta Skarga und Ragna Mer sich aktiv an den Debatten beteiligen und mögliche Lösungen vorschlagen. Erfreulicherweise waren sie zweifellos nicht die einzige Delegation, die sich so intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt hat, sodass es während der ersten Sitzungen kaum möglich war, dominierende Länder zu bestimmen, weil alle Delegierten zur Diskussion beitragen und eigene Ideen äußern wollten. Durch kooperative Teamarbeit, Kompromisse und Diplomatie haben die DISEC-Mitglieder als ein großes Komitee sechs ausführliche “Working Papers” produziert, die letztendlich in drei sehr detaillierte Resolutionen umgewandelt wurden.
UNESCO
Im UNESCO-Komitee, welches sich mit Bildung, Wissenschaft und Kultur im internationalen Spektrum auseinandersetzt, war das zu erörternde Thema „Innovative Education“. In einer zunehmend globalisierten Welt ist Bildung der Schlüssel zu Teilhabe, Erfolg und sozialer Mobilität. Schüler und Schülerinnen aus allen Teilen der Erde sollten im Idealfall auf ähnlichem Niveau ausgebildet werden. Schulen werden mehr und mehr der Herausforderung ausgesetzt, nicht nur mündige Staatsbürger zu produzieren, sondern aus Kindern Weltbürger zu machen. Innovation ist in Bildungssachen vonnöten, weil Lösungen für stark unterschiedliche Lehrpläne gefunden werden müssen. Es war daher das erklärte Ziel, die Lehrpläne zuerst regional zu harmonisieren und anschließend auf globaler Ebene zumindest krasse Differenzen zu verringern.
Genau dort lag jedoch der Knackpunkt. Schon zu Anfang der Konferenz kristallisierte sich heraus, dass auf kulturelle und religiöse Besonderheiten nur ungern zugunsten eines globalen Lehrkonzepts verzichtet werden würde. Eine weitere Kontroverse war der Einsatz von technischen Geräten im Unterricht. Finanziell schwächere Länder argumentierten hier, es stelle für sie eine wirtschaftliche Schwierigkeit dar, Schulen mit kostenintensiven Tablets, Laptops, Projektoren oder Internet zu versorgen. Die Delegierten der gemeinsamen Delegation von HanseMUN und CologneMUN Amélie Eichholz und Finn Kordes mussten hier den schwierigen Spagat schaffen, die Türkei einerseits als fortschrittliche Bildungsnation darzustellen, die islamisch-traditionellen Einflüsse aber nicht zu kaschieren. Durch diese ungewöhnliche Konstellation haben sie sich in mehreren Entwürfen für Resolutionen eingebracht, welche in der Endfassung bestmöglich verschmolzen.
SOCHUM
Im Third Committee: Social, Cultural, and Humanitarian (SOCHUM) war das Thema “religious freedom” zu diskutieren. Gerade im Hinblick auf die aktuelle Weltlage war das Thema hochaktuell. So war es kaum verwunderlich, dass gerade im Blick auf aktuelle Ereignisse aus den Feldern Terrorismus und Gesellschaftspolitik hitzig und kontrovers diskutiert wurde, was überhaupt Religionsfreiheit bedeutet und welche Grenzen dieser gesetzt werden sollten. Für unseren Delegierten in diesem Komitee, David Fila, lag der besondere Reiz daran, zu diesem Thema die Türkei zu repräsentieren, darin, dass gerade dieses Land sich im Spannungsfeld religiöser Konflikte befindet
und diese teilweise auch selbst erzeugt. Eine an die Realität türkischer Politik angepasste Position war daher in diesem Komitee besonders herausfordernd. Die Größe des Komitees bedingte, dass die Entscheidungsfindung für eine Resolution sehr viel Fleiß und Zielstrebigkeit erforderte, damit die sich gegenüberstehenden Blöcke auf ein Endergebnis einigen konnten. Am Ende entstand eine überzeugende Resolution, in der sich jede Delegation wiederfinden konnte. So wurden besondere Maßnahmen auf UN-Ebene etabliert, um religiöse Minderheiten in allen Ländern effektiv zu schützen. Auf der anderen Seite wurden auch weitreichende Maßnahmen gegen religiösen Terrorismus getroffen, damit dieser wirksam eingedämmt werden könne.
World Conference on Women
Das Women’s Rights Council setzt sich, wie der Name schon verrät, für Frauenrechte ein. Es verfolgt dabei das Ziel, dass Männer und Frauen eines Tages dieselben Rechten genießen. Während unserer Sessions war das vorgegebene Thema „rights of sexual workers“ (ausschließlich auf Sexarbeiterinnen bezogen). Dabei wurden die Themen Legalität von Sexarbeit, Rechte von Sexarbeiterinnen, staatliche Regulierung von Sexarbeit, verpflichtende Gesundheitschecks und die Regulierung der Anzahl der Sexarbeiterinnen pro Land behandelt.
Wie man sich schon denken, kann hatten alle teilnehmenden Länder aufgrund verschiedener Kulturen und Religionen extrem unterschiedliche Ansichten, was die Suche nach einem gemeinsamen Nenner sehr erschwerte. Darüber hinaus ist es ein sehr heikles Thema, zu welchem viele Länder sehr konkrete Vorstellungen haben und nur wenig mit sich verhandeln ließen (Türkei inklusive).
Wir kamen dann zum „Ergebnis“, dass jedes Land für sich entscheiden soll, wie es mit Sexarbeit umgeht, da die Differenzen für die Suche nach einer gemeinsamen Lösung zu groß waren. Jedoch haben sich die Staaten, welche ein und dieselbe Vorstellung diesbezüglich hatten, etwa ein Großteil der nordeuropäischen Staaten, auf ein Abkommen einigen können, in welchem Mindeststandards für das Gebiet der Prostitution definiert wurden.
Alles in allem habe ich sehr viel gelernt und mitgenommen von der Konferenz – auch wenn wir kein wirkliches „Ergebnis“ bekommen haben. Bei diesen Konferenzen gilt immer „Der Weg ist das Ziel“, denn die Konferenz hat mir die Möglichkeit gegeben, besser zu verstehen, wieso manche Länder handeln wie sie handeln und welche Interessenskonflikte dabei eine Rolle spielen.
Mir persönlich hat die Zeit sehr gut gefallen, da man neben der Konferenz Leute aus der ganzen Welt kennengelernt hat. Das internationale Umfeld in Panama hat außerdem dazu beigetragen, dass man sich noch stärker mit seinem Land identifizierte und sich somit noch besser in sein Land hineinversetzten konnte.